Nutzung - Genossenschaftprojekt
Wohnen in der Ermekeil
Ein Flur inerhalb der alten Mannschaftsquartiere der Ermekeilkaserne - zukünftige Wohnungen?
"Das Nutzungskonzept soll eine vielfältige Nutzung des Geländes vorsehen mit Wohnen, Arbeiten, kleinteiligem Gewerbe und Läden, Begegnungszentrum. Das Gelände sollte eine hohe Aufenthaltsqualität und Durchgängigkeit haben. Mit der zivilen Umnutzung der Ermekeilkaserne besteht die große Chance, die Lebendigkeit und Attraktivität der Südstadt weiter zu erhöhen. Dazu bedarf es jedoch einer frühzeitigen Vorbereitung und einer intensiven Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger".
Dieses ist der Wunsch unseres Bürgerantrages an die Stadt. Das heißt, auf dem Gelände soll es möglich sein, dass dort vor allem Wohnungen entstehen, die nicht nur einer Gruppe gut verdienender Menschen zur Verfügung stehen.
Der Wunsch, die Ermekeilkaserne entsprechend unseren Vorstellungen zu nutzen, lässt sich am besten verwirklichen, wenn wir Eigentümer des Geländes werden. Wie ist das möglich?
Hier gibt es verschiedene rechtliche Geselschaftsformen:
• Gesellschaft bürgerlichen Rechts
• Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
• Genossenschaft
Von den drei genannten Formen ist die demokratischste Form die der Genossenschaft.
Das Genossenschaftprojekt
Ein Flur inerhalb der leerstehenden alten Mannschaftsquartiere der Ermekeilkaserne
Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von Personen (Personenvereinigung), die gemeinsam und gleichberechtigt ein Unternehmen unterhalten (genossenschaftlicher Geschäftsbetrieb). Entscheidungen werden gemeinsam und demokratisch getroffen. Oberste Leitmaxime ist die gesetzlich vorgegebene Förderung der Mitglieder. Insofern verfolgen Genossenschaften vorrangig ökonomische Zwecke. Für das Projekt Ermekeilkaserne bedeutet dieses möglich preisgünstige Mieten. Nach der am 18. August 2006 in Kraft getretenen Novellierung darf es sich auch um soziale oder kulturelle Zwecke handeln, was bedeutet, dass sich auch Sozial- und Kulturgenossenschaften der eG-Rechtform bedienen können. Wesensmerkmale, die den Kern der Genossenschaftsidentität bilden, sind neben dem Förderungsprinzip die Grundsätze der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung, der Selbstverwaltung und das Identitätsprinzip. Letzteres besagt, dass die Miteigentümer/Träger zugleich Geschäftspartner (Abnehmer, Lieferant) und Eigenkapitalgeber sind (Dreifachbeziehung).
Während die trägerschaftliche und die Leistungsbeziehung zur Genossenschaft dem Freiwilligkeitsprinzip unterliegen, ist die Kapitalbeteiligung eine obligatorische Folge aus dem Mitgliedschaftserwerb. Das zentrale Anliegen von Genossenschaften ist es, gemeinsame wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedürfnisse zu befriedigen. Weltweit sind mindestens 700 Millionen Mitglieder in Genossenschaften beteiligt. Genossenschaften sind Wertegemeinschaften, die in der Regel Ziele verfolgen, die über reine Wirtschaftsbetriebe hinausgehen. Die ICA (International Cooperative Alliance) beschreibt als grundlegende Werte die Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Demokratie, Gleichheit, Billigkeit und Solidarität. In Tradition ihrer Gründer vertrauen Genossenschaftsmitglieder auf die ethischen Werte Ehrlichkeit, Offenheit, Sozialverantwortlichkeit und Interesse an anderen Menschen.
Das Gelände
Das leerstehenden alten Mannschaftsquartiere der Bonner Ermekeilkaserne
Bereits im Altertum entstanden Bündnisse mit genossenschaftlichen Zügen durch politisch verfasste Gemeinden, Religionsgemeinschaften oder Stämme. Im Mittelalter entwickelten sich gemeinschaftliche Zusammenschlüsse meist sozial, wirtschaftlich oder politisch Schwacher für einen gemeinsamen Zweck. Zum Beispiel um einen Deich zu erhalten (Deichgenossenschaft). Im Alpenraum schlossen sich die Siedler zu Alpgenossenschaften zusammen, weil die moderne Alpwirtschaft ein Gemeinwerk erforderte. Die Genossenschaft regelte die gemeinschaftliche Nutzung der Weiden und Alpen und verhinderte die Veräusserung des Gemeineigentums. In der Schweiz entwickelte sich aus diesen Genossenschaften in den Gemeinden die Direkte Demokratie (Schweizerische Eidgenossenschaft).
Die erste Genossenschaft im modernen Sinne wurde 1844 in Nordengland von 28 Arbeitern der dortigen Baumwollspinnereien gegründet. Die Rochdale Equitable Pioneers Society war eine Einkaufsgenossenschaft und sollte durch ihre größere Marktmacht niedrigere Preise garantieren. Zunächst gab es mit Mehl, Butter, Zucker und Haferflocken nur vier Nahrungsmittel. Das Geschäft war nur zwei Abende in der Woche geöffnet, wuchs aber schnell. Schon nach drei Monaten wurden die Öffnungszeiten auf fünf Tage ausgedehnt.
Im deutschsprachigen Raum gründeten zwei Männer gleichzeitig und unabhängig von einander die ersten Genossenschaften. 1847 rief Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Weyerbusch den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der Not leidenden ländlichen Bevölkerung ins Leben. Er gründete schließlich 1862 den "Heddesdorfer Darlehnskassenverein" (Heddesdorf heute Neuwied, Rheinland-Pfalz), der heute als erste Genossenschaft im Raiffeisenschen Sinne gilt.
Zeitgleich rief Hermann Schulze in Delitzsch (Sachsen) eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zu Gute kommen sollte. Nach den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung gründete er 1847 die erste "Rohstoffassoziation" für Tischler und Schuhmacher und 1850 den ersten "Vorschussverein" - den Vorläufer der heutigen Volksbanken.
Rechtsform der eG
Ein Flur inerhalb der alten Mannschaftsquartiere der Ermekeilkaserne
Einzig relevant in Deutschland ist die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Nicht eingetragene Genossenschaften sind zwar möglich, spielen in der Praxis aber so gut wie keine Rolle.
Eine Genossenschaft ist in mancher Hinsicht mit einem eingetragenen Verein (e. V.) vergleichbar. Tatsächlich mutet die e.G. wie eine Mischung aus Kapitalgesellschaft (insbesondere der Aktiengesellschaft) und Verein an. Der Zweck der Genossenschaft ist die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder, oder deren soziale oder kulturelle Belange durch den gemeinsamen Geschäftsbetrieb zu fördern. Die eingetragene Genossenschaft ist eine juristische Person und nach (§ 17 Genossenschaftsgesetz (GenG) "Formkaufmann" im Sinne des Handelsrechts, das heißt, aufgrund der gewählten Gesellschaftsform automatisch Kaufmann.
Besonders interessant ist die eG aufgrund der Tatsache, dass eine Begrenzung der Haftung für getätigte Geschäfte der eG auf das Vermögen der eG möglich ist. Die Mitglieder der eG haften also dann nicht mit ihrem vollen Privatvermögen. Die Satzung der e.G kann auch bestimmen, dass im Falle einer Insolvenz gewisse Nachschusspflichten der Mitglieder bestehen.
Weiter ist zu erwähnen, dass eine eG Mitglied in einem Prüfungsverband sein muss. Der Prüfungsverband nimmt Kontroll- und Aufsichtsrechte gegenüber der eG wahr. Für die gesetzlich vorgeschriebene Mitgliedschaft entstehen der Genossenschaft Kosten.
Gündungsvoraussetzungen
Eine eG muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen (§4 GenG). Die Genossenschaft ist in das Genossenschaftsregister des zuständigen Amtsgerichts als Registergericht einzutragen. Sie muss über eine Satzung mit gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt verfügen (§§ 6 ff GenG).
Organe und Mitglieder
Die Organe der eG sind mindestens der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Bei eGs bis zu 20 Mitgliedern müssen seit 18. August 2006 nicht mehr zwei Vorstands- und drei Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden. Es genügt ein Vorstandsmitglied und auf den Aufsichtsrat kann ganz verzichtet werden, in diesem Fall nimmt generell die Generalversammlung die Rechte des Aufsichtsrats wahr.
Gesellschaftliche Rolle
Genossenschaften findet man vor allem in den Bereichen:
1. Handel (v. a. Edeka und Rewe sowie Genossenschaft Deutscher Brunnen) und die traditionsreichen Konsumgenossenschaften, zu der heute noch die coop eG zählt. Heute kommen dazu noch weitere Genossenschaften wie Energieversorger (Greenpeace energy) etc.
2. Banken (Volks- und Raiffeisenbanken, Sparda Banken)
3. Wohnungsbau; die Wohnungsbaugenossenschaften haben bis heute eine tragende Rolle für die innovative Städteplanung inne.
4. Landwirtschaft (Raiffeisen, BayWa, zahlreiche Molkereien, Winzergenossenschaften vereinzelt auch Kommunen)
5. Dienstleistungsgenossenschaften
6. Forstwirtschaft (Hauberggenossenschaft)
7. Kleingewerbe (Kulturzentren, Gastronomie, Einzelhandel,...)
8. ansatzweise auch im Handwerk.
9. Beteiligungsgesellschaft (z. B. für Solarparks).